Nach zwei entspannten Tagen in der wunderschön gelegenen Hunga Lagune, im Westen der Vava’u Inselgruppe, machen wir uns gegen 17:00 Uhr auf den Weg zur nur knapp 70 Meilen entfernten Ha’apai Group, der mittleren Inselgruppe Tongas. Die soll es „in sich haben“, wird in Seglerkreisen berichtet. Viele verstreute Riffe und überwiegend flache mit Kokospalmen bewachsene Koralleninseln. Im Reiseführer lesen wir, hier gibt es das seltene und mysteriöse Phänomen einer Insel, die mal da ist und dann wieder nicht. Fonuafo’ou wurde 1885 mit 50 Metern Höhe und 2 km Länge vermessen. 1894 war nichts mehr davon zu sehen, jedoch nur kurz, denn 2 Jahre später erschien sie wieder mit beachtlichen 320 Metern Höhe. So ging das Kommen und Gehen weiter und da die Insel Teil eines aktiven Unterwasservulkans ist, ist kein Ende absehbar. Damit nicht genug eine weitere neue Insel wurde 2015 etwa 65 Kilometer nordwestlich von Tongatafu gesichtet. Ihr wurde nach der Erfahrung mit Fonuafo’ou noch kein offizieller Name gegeben. In Seekarten ist sie nicht verzeichnet! Kann ja sein, dass sie wieder verschwindet 😉
Also Vorsicht ist geboten und genau aus diesem Grunde wollen wir nicht abends oder womöglich nachts ankommen. Sondern wir segeln nachts, um morgens in dem Hauptort Pangai anzukommen. Kaum sind wir draussen aus der Hunga Lagune, stellen wir aber fest, wir sind viel zu schnell. Kalibu rauscht auf einem Amwindkurs mit 6.5 Knoten durch die Wellen und wird noch weiter durch einen starken mitlaufenden Strom beschleunigt. Wir rollen also die Yankee rein und setzen das Kuttersegel. Das ändert wenig an der Geschwindigkeit, also reffen wir zusätzlich noch ein Stück vom Grosssegel. Nun wird die Fahrt gegen Wind und Welle aber so holprig, dass alle an unterschiedlichen Symptomen der Seekrankheit leiden. Leonard und ich legen uns schnell schlafen, Zoe muss sich übergeben und selbst unser Skipper nimmt ausnahmsweise mal eine Tablette.
Gegen 4:30 Uhr ist das erste Leuchtfeuer zu sehen und bald kann man auf dem Radar das nördliche Riff der Insel Ha’ano erkennen. Es sieht so aus, als ob wir direkt drauf zu segeln. Wir fallen ab. Eine halbe Stunde später steuern wir bei gleichem Kurs auf das nächste viel weiter westlich gelegene Riff Luahoko zu. Wir versuchen anzuluven. Ohne Effekt auf den wahren Kurs. Offensichtlich versetzt uns eine Ost-West Strömung kurz vor der Ha’apai Gruppe derart stark nach West, dass wir schon überlegen, ob wir am Ende wohl noch kreuzen müssen. Das bleibt uns dann aber doch erspart. Sobald Kalibu neben dem ersten Riff ist, können wir aufatmen und bequem unser eigentliches Ziel, den Hauptort Pangai, wieder anlegen. Dort kommen wir „planmässig“ kurz nach Sonnenaufgang an. Die Annäherung ist einfach, weil ordentlich mit Seezeichen markiert 🙂
Ein kurzes Schläfchen und eine Mathestunde gönnen wir uns noch, bevor wir zum Einklarieren aufbrechen. Auch wenn Pangai alles andere als gross ist, ist uns nicht klar, wo wir hin müssen. Wir fragen die „locals“. Die sind irgendwie irritiert oder amüsiert ?? wissen jedenfalls nicht wo sie uns „Palangi“ hinschicken sollen. Dabei ist Tonga einer der beiden beliebtesten Ausgangspunkte für Südseesegler, die nach Neuseeland wollen, d.h. hier versammeln sich um diese Jahreszeit viele Boote. Offensichtlich sind es dann aber doch nicht so viele. Im Mariner’s Café, das einzige Café im Ort, wird ein Gästebuch für Segler geführt. Pro Jahr sind es so um die 100 bis 150, mal mehr mal weniger … alles in allem überschaubar. Wir stöbern im Gästebuch und finden natürlich ein paar bekannte Namen.
Nicht zu vergessen, genau hier ereignete sich die Meuterei auf der Bounty. Im Jahre 1789 legte Kapitän Bligh, genauso wie auch 1777 James Cook, auf der Insel Nomua einen Zwischenstopp ein, um Proviant und Wasser zu bunkern. Es kam zu einem Streit an Bord der Bounty, weil die Tongaer ein sehr anderes Verständnis von Eigentum haben, als die Europäer, der im Nachgang auf der nahe gelegenen Insel Tofua am 28. April zur offenen Meuterei und Aussetzung von Bligh führte. 1790 landeten die Meuterer auf der Insel Pitcairn. Die Bounty wurde versenkt.
Noch am gleichen Nachmittag heben wir den Anker und segeln weiter nach Süden, zur nächsten Insel Uoleva, ein echtes Südsee Idyll! Hier bleiben wir ein paar Tage und treffen den Koch Steve wieder, den wir auf der Infinity kennengelernt haben. Und, wie nicht anders zu erwarten, er hilft im Eco-Resort, ein kleines Gästehaus, ein bisschen aus. So kommen wir in den Genuss eines „Tongan Feast“ von einem Tongaer (der war für das Spanferkel zuständig), einem Neuseeländer und einer Brasilianerin zubereitet 😉 – sehr lecker!
Doch schon am gleichen Abend zeichnet sich eine Wetteränderung ab. Es beginnt zu regnen und es gewittert ordentlich. Keine Besserung in Aussicht. Wir verlegen uns am nächsten Tag zurück zum Hauptort und überlegen unseren Aufenthalt in Tonga kurz zu halten. Das nächste Wetterfenster, das sich auftut um nach Neuseeland zu segeln, wollen wir ausnutzen. Immerhin sind wir schon seit zwei Wochen mit Putzen und Aussortieren beschäftigt. Unsere blinden Passagiere haben uns mit Ausnahme einer Krabbe, die beharrlich in einem Abflussventil der Plicht sitzt, verlassen. Das Rigg ist in Ordnung. Kalibu ist bereit für die wechselhaften Westwinde. Nur die Heizung haben wir noch nicht getestet. Das muss bis Neuseeland warten.