05.05.2019 – Den Klauen des Roten Meeres entkommen und wie wir im Eiltempo durch den Sueskanal geschleust wurden und auf viele erstaunte Gesichter in Israel treffen.
Auf Wiedersehen Ägypten.
Am Freitagabend kommt ein Pilotboot, welches grösser ist als Kalibu, längsseits und Mohamed, unser zweiter Pilot im Sueskanal, springt bei ca. 3 Knoten Fahrt rüber. Bier für die Freunde und Bakschisch hat er dabei. Kurz darauf erreichen wir nämlich das Mittelmeer, wir setzen Segel und sind glücklich. Die Luft ist frisch, die Nacht klar und kalt. wir nehmen Kurs auf Israel. Es war die wohl schnellste Sueskanalpassage, die man mit einem kleinen Sportboot schaffen kann.
Thomas im Sueskanal, die grossen Frachter kommen uns sehr nahe
Vor Beginn des Ramadan hatte sich der Präsident Asisi gedacht, dass er was für die Stimmung im Lande tun muss und entschieden die drei neuen Schwenkbrücken über den Kanal mit grossem Pom Pom einzuweihen. Zu diesem Zweck soll der Kanal für Sportboote für zwei Tage gesperrt bleiben, angeblich auch seine Idee. Jedenfalls kamen wir am Donnerstag früh am Morgen in Sues an, unser Agent wartete schon und damit begann ein Papiermarathon. Genehmigungen mussten eingeholt werden, Kalibu musste vermessen ( sie hat 20 Sueskanaltonnen ), Rechnungen bezahlt werden, Piloten engagiert und die Pässe zur Immigration gebracht werden. Es dauerte bis tief in die Nacht, denn erst gegen 11 Uhr nachts bekamen wir die Pässe zurück und das okay, dass es morgen um drei los gehen soll. Warum so früh? Weil wir ansonsten irgendwo in der Mitte warten müssten, bis der Präsident den Kanal wieder frei gibt.
Ich stellte mir daraufhin den Wecker und wartete ungeduldig auf den Piloten, der nicht kam. Thomas schlief im Salon, ich sah derweil etwas frustriert den anderen beiden Booten zu, wie sie in den Kanal einfuhren. Zwei Stunden später tauchte er dann auf, unser erster Pilot. Wir starteten im Eiltempo, er verstand unser Problem nicht ( er kennt ja auch unseren sensiblen Motor nicht ), entschuldigte sich aber trotzdem bei Thomas. Ich schluckte daraufhin meinen Ärger runter und versorgte ihn mit Tee und Frühstück. Der Pilot übernimmt nämlich wirklich das Ruder ( selbstredend nur das Ruder nicht die Verantwortung ) für die gesamte Passage, das hätte ich so nicht erwartet. Erst ging es sehr langsam voran, die Strömung lief gegen uns und die dicken Frachter, die uns sehr nahe kamen, machten es uns schwer. Der Pilot wurde ebenfalls nervös und fragte, ob wir nicht mehr Gas geben könnten? Ich studierte die Tidentabellen und hoffte auf bald einsetzenden mitlaufenden Strom. Thomas ging auf 1.900 RPM hoch. Normalerweise fahren wir mit 1.600 RPM.
Vorbereitungen für den grossen Festakt, die Brücken und Übergänge sind bunt mit vielen Fahnen geschmückt
Zoë störte sich daran, dass der Pilot Kette raucht und fragte ihn, warum er das macht, was er wiederum überhaupt nicht witzig fand. Kritik von jungen Frauen schien er nicht gewohnt zu sein. Meine Erleichterung war jedenfalls gross, als wir gerade noch rechtzeitig für den Pilotenwechsel in Ismailiya ankamen. Hop, hop, rein raus ohne wirklich anzulegen und weiter konnte es gehen. Unser zweiter Pilot war ein sehr viel angenehmerer Zeitgenosse, der immer lachte, viel telefonierte und es schaffte uns rechtzeitig an der letzten Brücke, die danach geschlossen wurde, vorbei zu manövrieren und am Ende des Sueskanals wartete dann das besagte Pilotboot auf ihn. Super effizient, nur eine Rechnung für den Service haben wir nie gesehen. Nicht für den Kanal, nicht für die Marina und auch nicht für den Agenten …
Fischer im Bitter Lake, etwa auf halber Strecke zwischen Sues und Port Said
Jetzt, Sonntagmorgen 3:30 Uhr, sitze ich im Cockpit, die Nacht ist pechschwarz, der Wind weht uns seit ein paar Stunden wieder direkt auf die Nase. Gerade war die israelische Navi da und hat uns mit ihrer Flutlichtanlage „durchleuchtet“. Sie kam mit ihrem Schiff im Stealth Mode, ohne AIS und auch nicht auf unserem Radar sichtbar. Querab am Horizont sieht man ein Land im Krieg. Das Leuchtfeuer der Geschütze ist deutlich zu erkennen und ab und zu werden Raketen gezündet. Haben wir was verpasst in den Nachrichten, die wir nur sporadisch lesen? Oder, ist das der Normalzustand? frage ich mich etwas besorgt. In der Zeitung lesen wir später, dass es im Gazastreifen in der Nacht wieder Übergriffe und Raketenangriffe gab. Mehrere Menschen sind gestorben, darunter ein kleines Kind.
Radio Haifa funkt uns kurz nach Sonnenaufgang an und entsendet eine zweite Patrouille, die alle Details inkl. der Passnummern aufnimmt. Danach dürfen wir weiter Richtung Marina, wo wir einem ausgiebigen gründlichen Sicherheitscheck unterzogen werden. In den Gesichtern der Männer kann man Erstaunen, Neugierde und viele Zweifel ablesen. Keiner war jemals in Ägypten gewesen. Ihre Vorstellungen sind etwas diffus, denn sie befürchten, ein Ägypter hätte uns eine Bombe ins Schiff geschmuggelt. Wir versichern, dass unser Schiff von keinem Fremden betreten wurde und dass wir dort niemandem gesagt haben, dass wir nach Israel wollen. Trotzdem werden alle Fächer akribisch durchsucht. Thomas muss alle „Waffen“ raus suchen. Da sind wir nun selbst erstaunt über die Anzahl an Messern, Macheten, Harpunen, Zeremonienschwerter, die sich in den Jahren so angesammelt haben. Der Securitymann überlegt hin und her, fragt bei den Vorgesetzten nach und kommt zu dem Schluss, dass wir alles verstecken sollen. Willkommen in Israel!
Marina Herzliya, Israel