Treppauf Treppab

Cusco ist für den „Normaleuropäer“ wohl die schönste Stadt Perus. Auf den wirklich imposanten alten Inkamauern haben die Spanier ihre Kolonialbauten errichtet und heute ist die historische Altstadt ein nahezu homogenes Gefüge. Man bewegt sich durch enge Gassen treppauf und treppab und hat immer wieder überraschende Ausblicke auf die umgebenden Berge. Hinter den einfachen Fassaden verbergen sich schöne Höfe zu denen die meisten Zimmer des Hauses ausgerichtet sind.

Die Kehrseite: an jeder Ecke wird man angequatscht. Alles nur erdenkliche wird den Touristen angeboten. Das ist echt nervig, aber vermutlich unvermeidlich.

Wir sind hier, um mehr über die Inkas zu erfahren, müssen jedoch feststellen, das ist gar nicht so einfach. Das Inkamuseum enttäuscht, die Ausstellung ist recht provinziell und zeigt auch wenig Neues. Wir können uns das nur so erklären, dass die schönen Fundstücke sicher alle in Lima oder im Ausland gelandet sind. Und die legendären Goldarbeiten wurden ja bekanntlich schon von Pizarro eingeschmolzen. So findet sich heute im Inkamuseum in der ehemaligen Hauptstadt der Inkas kein einziges Stück Gold!

Unser Energielevel ist aufgrund der ungewohnten Höhe noch recht niedrig. Leonard hat die Höhenkrankheit auch richtig erwischt. Vorgesternabend mussten ihn ins Krankenhaus bringen. Heute geht es wieder einigermaßen und wir hoffen, er bleibt stabil.

Auf dem Weg nach Cusco

Alle leiden etwas unter den ersten Anzeichen der Höhenkrankheit – Cusco liegt immerhin auf 3400 Metern – und wir gönnen uns einen Tag Ruhe. In der Stadt sind tausende von Touristen unterwegs, aber auch viele Einheimische, die sich heute Morgen beim Hissen der Inkaflagge sowie der peruanischen Flagge auf dem Plaza de Armas eingefunden haben. Dies wurde pompös mit viel Militär, Polizei, Salutschüssen und mindestens drei Musikkapellen zelebriert.

Lima Barranco

Zurück in Lima steigen wir in einem Hostel für Rucksacktouristen ab. Das sind wir zwar gewohnt, aber dieses Hostel ist grenzwertig: laut, unhygienisches Gemeinschaftsbad, etc.
Ausgleich bietet das Stadtviertel Barranco (im Süden von Lima direk am Pazifik gelegen). Dieses Viertel ist bei Künstlern sehr beliebt. Es macht Spaß durch die Straßen zu schlendern und in die Studios hineinzuschauen. Es gibt nette Cafés mit endlich mal wieder gutem Kaffee (ebenso wie in Brasilien pflanzen die Peruaner zwar Kaffee an, trinken aber den schrecklichen nordamerikanischen Nescafé).
Die Gentrifizierung liegt schon in der Luft, aber noch sind viele der mondänen Häuser aus vergangener Zeit in bedauernswertem Zustand und die Peruaner berichten, dass sie hier günstig und gut leben. Immerhin hat die Verwaltung von Barranco es bis jetzt geschafft das Wuchern von modernen gesichtlosen Appartementhochhäusern, so wie im benachbarten Miraflores, weitestgehend zu verhindern.
Damit ist übrigens die Liste der lebenswerten Bezirke der Megacity Lima schon fast am Ende. Überdies erstickt die Stadt täglich in einem heillosen Verkehrschaos, effiziente öffentliche Verkehrsmittel gibt es kaum, stattdessen verstopfen die vielen unterschiedlichen Busse aufgrund von fehlenden Bushaltestellen die Stadtautobahnen. Die halten nämlich einfach in Pulks in der rechten Spur an, um dann beim kollektiven Losfahren ohne Warnung auf die äußerste linke Spur auszuscheren. Anders gesagt, jede dieser informell/formellen Bushaltestellen erzeugt automatisch einen Verkehrsstau. Der otto-normal Peruaner, der nicht Mestize ist ( das sind die Nachfahren der spanischen Konquistadoren) muss Arbeitswege von 2-3 Stunden täglich in Kauf nehmen. Damit nicht genug, der Arbeitslohn ist so gering, dass ein Job häufig nicht ausreicht, um zu überleben. Entsprechend armselig sehen die Randviertel Limas aus. Ausnahmen bestätigen die Regel.

 

Nazcalinien

Heute ist es soweit – die Kinder haben es sich unbedingt gewünscht und Thomas war ebenfalls überzeugt – wir wollen uns, so wie die vielen anderen Nazcalinien-Touristen, in eine kleine Propellermaschine der Marke Chessna 207 zwängen, um die nach wie vor mysteriösen Linien aus der Luft zu sehen. Ich bin nicht so sicher, ob das eine gute Idee ist, da die meisten Reiseberichte darüber von einer Achterbahnfahrt berichten, die zwar beeindruckend war, aber wenig Freude machte. Also sparen wir uns das Frühstück für später auf und machen uns auf den kurzen Weg zum Miniflughafen von Nazca. Dort angekommen werden wir erst mal gewogen, die Gewichtsverteilung im Flugzeug muss schließlich stimmen. Ergebnis: Zoë sitzt ganz hinten, ich mit Leo in der Mitte und Thomas hinter dem Piloten.

Keiner von uns ist jemals mit einer so kleinen Maschine geflogen und wir sind sehr gespannt, als die Maschine dann endlich Richtung Startbahn rollt. Erster Eindruck, es ist sehr laut, aber es gibt für jeden Kopfhörer. Ruck zuck sind wir oben und drehen die erste Kurve aus der Flussmündung raus in Richtung Hochebene, wo sich die bekanntesten, von der deutschen Mathematikerin Maria Reiche untersuchten, Scharrbilder befinden. Der Flug ist etwas holprig. Mittlerweile ist es ja fast Mittag und die Thermik über der Wüstenebene entsprechend stark, aber die Sicht ist dafür sehr gut. Zweiter Eindruck, fühlt sich fast so an wie segeln, nur sanfter. Wir genießen die Aussichten (nur Zoe ist etwas flau im Magen) und sind beeindruckt von der Dichte der geometrischen Figuren.

image

image

Maria Reiche hat viel dazu beigetragen, dass die Linien heute so gut erhalten sind. Sie hat die Linien in Jahrzehntelanger mühevoller Kleinarbeit freigelegt Und mit den damals sehr beschränkten Mitteln versucht diese präzise zu vermessen und zu interpretieren. Diese deutsche Webseite – http://www2.htw-dresden.de/~nazca/raetsel.htm – bietet eine kurze Zusammenfassung ihrer Ideen. Obwohl es heute mit Drohnen und 3-d Kameras ein einfaches ist die Scharrbilder exakt zu erfassen, gibt es noch immer keine einheitliche wissenschaftliche Erklärung für deren Entstehung und Bedeutung.

In der ehemaligen Hütte von Maria Reiche findet man heute eine unzusammenhängende Sammlung von teils sehr wertvollen Fundstücken aus der Nazcazeit, sowie ihre alten Arbeitsutensilien und diesen alten VW-Bus, mit dem sie durch die Wüste fuhr und die teils bis zu 12 km langen Linien untersuchte.

Tradition und Fortschritt

Manchmal sieht man eine traditionell gekleidete Indio-Frau mit Mobiltelefon, aber das ist eher selten. Wir sind eher überrascht wie weit verbreitet die Uralten Traditionen und Lebensweisen noch sind. So laufen die Frauen in den  Bergdörfern fast alle mit einer Spindel und Schafswolle herum, so dass sie kontinuierlich Wolle spinnen können. Ein Spinnrad gibt es noch nicht. Die Felder werden mit einem Holzpflug bestellt oder von Hand mit der Hacke; die Kühe auf der Wiese gemolken; die Einraum-Häuser aus Stampflehm von der Dorfgemeinschaft gebaut; die Ernte auf dem eigenen Rücken nach Hause getragen …

 

Eine Höllenfahrt

Zweimal durch vier Klimazonen; 330 Kilometer in Serpentinen vom schönen Bergdorf Leymebamba, das im Bergwald liegt ( der heute aber in großen Teilen gerodet wurde ) hinauf in die knapp 4000 Meter hohe Tierra helada  (eine Höhensteppe ohne Baumbewuchs), dann über ebensolche Serpentinen wieder runter durch eine Binnenwüstenlandschaft zur tropischen Flusslandschaft des Rio Maranon, um sich gleich wieder durch eine Wüste zum nächsten Pass hochzuarbeiten und schlussendlich zur 2300 Meter hoch liegenden Inkastadt Cajamarka „runter“ zu fahren. Als ob das nicht schon reichen würde. Nein, diese Strecke ist maximal einspurig, rechts geht es steil bergauf, links steil runter; häufig stehen Pferde, Esel, Hunde, Schafe oder Hühner seelenruhig auf der Straße und lassen sich nicht aus der Ruhe bringen; manchmal sind auch Teile der eh schon knapp bemessenen Fahrbahn einfach abgerutscht. Gegenverkehr führt regelmäßig zu Adrenalinausschüttungen.

image

 

Kuélap – das zweite Machu Pichu

… sagt der Reiseführer. Das mag vielleicht bezüglich der archäologischen Bedeutung der Anlage zutreffen. Aber leider gibt es keinen grandiosen Blick auf diese wirklich außergewöhnliche Festung. Nur von der gegenüberliegenden Talseite kann man die Dimensionen überblicken und das ist schon ziemlich weit entfernt.

Kuélap wurde, genauso wie Karajia, von dem Volke der Chachapoyas zwischen 800 und 1470, als sie schlussendlich von den Inkas unterworfen wurden, erbaut und bewohnt. Ungewöhnlich sind die kreisrunden zweistöckigen Häuser, die sie bauten und die Tatsache, dass man in den Sarkophagen blondes Menschenhaar gefunden hat. Bislang gibt es keine abschließende Theorie über die Herkunft des Volkes. Manche Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Wikinger es bis hierher geschafft haben. Befördert wird diese Theorie durch Felszeichnungen, die die Chachapoya Krieger zeigen, wie sie mit den abgeschnittenen Köpfen ihrer Gegner im Triumpf durch das Dorf ziehen.

Jedenfalls warnte der Reiseführer vor der Anfahrt mit dem eigenen Auto in der Regenzeit. Die hat hier vor ein paar Tagen begonnen, der Fluss führt bereits reichlich braunes Wasser und regelmäßig am Nachmittag prasselt der Regen auf uns nieder. Wir probieren es trotzdem, unser weißes Auto ist danach schlammig braun. Kuelap ist von einer knapp 20 Meter hohen Mauer umgeben, die nicht nur als Befestigung sondern auch als Grabstätte diente. Nur drei trichterförmige Zugänge, die sich bis auf Schulterbreite verjüngen, führen hoch in die uneinnehmbare Anlage. Sie beherbergte 400 ovale bis runde Häuser, die dicht an dicht standen. Offensichtlich hatten die Chachapoyas so was wie eine Wasserleitung, die durch die Häuser durchgeführte und die untere Ebene der Häuser wurde als „Kühlschrank“. Das ist jedenfalls unsere Interpretation der regelmäßig eingelassen tiefen Löcher im Boden. Gut zu erkennen sind auch noch die Mahlsteine, die in den separaten Küchengebäuden erhalten blieben. Da wir nicht mit einer geführten Reisegruppe hier sind, müssen wir uns vieles selbst erschließen, dafür haben wir die Anlage aber quasi für uns alleine.

Abstecher in die Berge

Nichts für Menschen mit Höhenangst sind die meisten Straßen in Peru!
Wir haben uns entschieden auf dem Weg zurück nach Lima die Küste zu verlassen und eine kleine Rundreise durch die Berge zu machen, um dort noch weitere archäologische Stätten zu besichtigen. Was auf der Karte wie ein Abstecher aussah, entpuppt sich schnell als eine abenteuerliche Mehrtagestour. Erstes Ziel ist Jaen, eine tropische Stadt im Departemento Amazonas. Die ist von Chiclayo nur 300 km entfernt und eigentlich noch gar nicht in den Bergen, aber trotzdem kommen wir erst gegen Abend dort an. Jaen war nur als Übernachtungsstopp gedacht – Nachtfahrten sind unserer Meinung nach keine gute Idee in Peru – überrascht uns aber mit seiner regen Geschäftigkeit. Internationale Touristen sind in Jaen selten. Das Klima und das chaotische Treiben auf der Straße erinnerte sehr an Brasilien. Wir quartierten uns in einem zentralen Hotel mit Pool ein und genießen den Sprung ins kühle Nass. Am nächsten Morgen sind wir beim Frühstück umgeben von Geschäftsreisenden, Laptop vor sich, Telefon am Ohr – so wie man es aus Berlin kennt …

image

image

Weiterlesen

Aus der staubigen Wueste in dieTropen

image   image

Heute haben wir die die kleine Kuestencordillere – ein Pass von immerhin auch 2100 Metern – ueberquert und sind in den Tropen gelandet. Die Landschaft hat sich grundlegend verwandelt, anstatt lehmiger Kuestenwueste sind wir nun in gruenen Taelern unterwegs, umgeben von hohen trockenen Bergabhaengen. Die Strassen sind abenteuerlich und oft laufen Ziegen auf der Strasse rum. Ganz zu schweigen von den vielen Fahrbahnschwellen, die wir seit Brasilien kennen und „lieben“ gelernt haben. Die Anzahl der Schwellen sagt viel ueber die Menschen, die Verkehrsschilder mit Geschwindigkeitsbegrenzungen vermutlich einfach ignorieren, sonst braeuchte es ja diese drastischen Massnahmen nicht. Leider ist auch das Internet gnadenlos langsam, so dass ich keine Bilder von den wunderschoenen Andentaelern posten kann. Werde ich nachholen.

image

Das Land der Mauern

 

Mauern sind omnipräsent. Wenn es sich nicht gerade um ein Armenviertel handelt, umgibt jedes Haus und jeden Betrieb eine Mauer, meist mit kleinem Türmchen für das Wachpersonal. Wir vermuten, dass es innen im Gegensatz zum staubigen trockenen Ambiente draußen, sauber gepflegt und vielleicht sogar grün ist. Ist aber reine Hypothese. Wahrscheinlicher ist, dass die Mauern ein Zeichen der mangelnden Durchsetzungskraft des peruanischen Staatswesens sind. Der Peruaner sieht sich gezwungen sein Hab und Gut selbst zu schützen. Ganz so wie es die Vorfahren auch taten.

Heute besuchten wir Chan Chan, …

Weiterlesen

Unterwegs auf der Panamericana

Seit einer Woche sind wir in Peru unterwegs, fahren auf der Panamericana Richtung Norden. Auch wenn wir sehr wohl wussten, dass uns eine Wüstenlandschaft erwartet, ist es doch erstaunlich zu sehen, dass der Humboldtstrom jegliche Vegetation geradezu verhindert. Wenn nicht gerade ein Fluss mündet, sieht man keinen Kaktus, keinen Strauch, keinen Halm. Nur brauner Sand. Erst in höheren Lagen bildet sich durch die kalte Meeresluft Küstennebel, der dann ausreicht, um grüne Oasen entstehen zu lassen.

Die Panamericana führt von der Arktis bis zur Antarktis – beinahe jedenfalls. Genau genommen endete sie in Puerto Montt, wo Kalibu noch an Land steht. Unter Pinochet wurde sie dann mit enormen Aufwand weiter nach Süden verlängert, bis zur südlichsten Region Chiles, Antarctica. In Peru und Chile ist sie die einzige Nord-Süd Verbindung, aber erstaunlicherweise ist sie trotzdem wenig befahren.
Zum Glück für uns. Wir haben uns nämlich vorgenommen die präkolumbischen Kulturen Perus zu erkunden und beginnen unsere Rundreise etwas nördlich mit der 5000 Jahre alten Stadt Caral im Supe Tal. Erhalten sind noch mehrere Pyramiden, die sich um eine Sonnenuhr und einen großen öffentlichen Platz gruppieren und die Oberstadt bildeten. Auf den Pyramiden befanden sich Tempel in denen ein ewiges Feuer brannte, wofür das Volk der Norte Chico ein ausgeklügeltes Belüftungssystem verwendete. Offensichtlich war dieses Volk mit seinem umfangreichen Bewässerungssystem, das sie entwickelten, in der Lage so viel Überschuss zu produzieren, dass sie sich diese aufwendigen Bauten leisten konnten. In den Geschichtsbüchern der Kinder findet man natürlich keinerlei Hinweise auf diese Kulturen. Mesopotamien steht nach wie vor allein.
Nächster Stopp auf der Panamerica war die Ruine von Sechin, die der Chavin Kultur zugeordnet wird und auf knapp 2000 Jahre vor Christus datiert wird. Eine Kultstätte mit aufwendigen Reliefs, die  die blutrünstigen Zeremonien – deutlich zu erkennen sind abgehackte Gliedmaßen und Köpfe – des Volkes zeigen.
Wir arbeiten uns in der Zeit voran und haben heute die südlichste Stadt der Moche Kultur besucht, die von zwei riesigen Lehmpyramiden, der Huaca der Sol und der Huaca de la Luna (3-8 Jhd.), gefasst war. Die Mocha waren nicht weniger blutrünstig. Ihre sehr detailtreu bemalten Keramiken, die in Gräbern gefunden wurden, sowie weitere Knochenfunde im Tempelbereich, belegen dies. Das Gold, das sich mit großer Wahrscheinlichkeit auch in den Gräbern befand, wurde natürlich vor langer Zeit schon von den Spaniern gestohlen.
Morgen geht es weiter zur nächsten Ruine. Zwischenzeitlich gönnen wir uns ein Hotel mit hoffentlich anständigen Matratzen (die letzte glich am Morgen einer Hängematte), westlichem Standard und Blick auf den Pazifik. Aber auch hier kriecht der braune Wüstensand durch die Ritzen und hinterlässt seinen braunen Film. Immerhin gibt es Internet.