Vor zwei Tagen sind wir mit Kalibu in die Bucht von Rio de Janeiro eingefahren. Das Setting zwischen den Morros ist wirklich einzigartig! Es gibt nur wenige Städte in denen man mit der U-Bahn in wenigen Minuten am Strand ist und Rio hat gleich mehrere Strände.
Die Stadt ist aber auch chaotisch und galt lange als gefährlich. Wegen der nahenden Olympiade wird nun versucht die großen Brennpunkte zu entschärfen. In den überall zwischen den modernen Apartmenthäusern an den steilen Morros (so nennt man hier die bis zu 1000 Meter hohen Felsen) wuchernden Favelas werden Polizeistützpunkte eingerichtet mit dem Ziel die Macht der Drogenhändler zu brechen. Die Polizei tritt hier als Vermittler auf und verzichtet so weit wie möglich auf Gewalt. Ob es wirkt? Wir haben uns bislang nie bedroht gefühlt, auch wenn man in den Strassen auf unübersehbar drogenabhängige Kinder trifft. Der „Durchschnittsbürger“ dieser Stadt kommt wohl auch eher selten mit den Favelas in Berührung. Die Armenviertel werden ausgeblendet, erscheinen auf keinem Stadtplan, nur manchmal führt durch Zufall eine Busroute durch. Das ist aber auch eher selten, weil die Favelas ja überwiegend an den steilen, kaum zugänglichen Bergen entstehen oder vor den Toren der Stadt. Man hat sich arrangiert.
Künstler und Architekten interessieren sich schon seit langem für das Phänomen Favela (eine Parallelwelt mit eigenen Gesetzen, abgekoppelt von der offiziellen Stadt) und seit einiger Zeit werden auch Touristenführungen durch diese Viertel angeboten. Ich finde das perfide. Als ob es nicht reicht, dass dieses Land seit Jahrhunderten von den Reichen (Europäer und Amerikaner genauso wie reiche Brasilianer) ausgebeutet wurde und immer noch wird. Bei unserer Fahrt von Bahia noch Rio war nicht zu übersehen, das Land wird nach wie vor nicht nachhaltig, sondern profitorientiert bewirtschaftet. Riesige Monokulturen und gesichtslose ärmliche Arbeitersiedlungen sind Zeugen davon.
Die Stadt ist laut. Sind wir nicht mehr gewöhnt. Überall wird gebaut, das gesamte Hafenareal gleicht einer riesigen Baustelle, die grossen Avenidas werden modernisiert. Der Verkehr bricht regelmässig zusammen. Wir erkunden daher eher die schönen Buchläden im Zentrum und die höher gelegen Stadtviertel, Santa Teresa (ist wohl ein Muss für einen Prenzelberger) und Gloria. Aber wir müssen natürlich auch nach Ipanema, den berühmtesten Strand der Welt. Der war, wie zu erwarten, voll und auch hier wird gebaut. Wir kaufen ein paar Ölbilder von einem lokalen Künstler. Thomas, Jan und Leonard gehen ins Natural History Museum, ich und Zoë klettern auf den Berg von Niteroi.
Oskar Niemeyer scheint der Held der Stadt zu sein. In der Bucht von Niteroi sind fünf Gebäude von ihm. Neben dem „Ufo“ gehört dazu auch „unsere“ Station für die Schnellfähre. Hier hängt ein grosses Schild, das auf den Baumeister hinweist. Das ist selten, dass der Architekt Erwähnung findet und freut mich natürlich. Auch wenn man nicht verschweigen darf, die Fährstation ist alles andere als originell.
Es war ein kurzer Stopp. Aber die 90 Tage, die wir nur in Brasilien bleiben dürfen, gehen langsam zu Ende. Nächster Stopp wird die Ilha Grande sein.