Nicht ganz. Ein Rennen soll es nicht werden, aber alles ist unter Dach und Fach. Wir sind bereit für den Trip in wärmere Gefielde, hier bedeutet das nach Norden zu segeln. Leonard wurde sein Gips entfernt. Etwas martialisch, ohne Betäubung wurden die Drähte aus dem Knochen gezogen. Der Arm ist jetzt etwas dünner und auch noch nicht so richtig einsatzfähig. Mindestens zwei weitere Monate Schonzeit hat der Arzt verordnet. Die Einkäufe sind weitestgehend erledigt. Alle Malariamedikamente, -tests und Moskitonetze beschafft und geprüft und es tut sich sogar ein perfektes Wetterfenster auf. Erst etwas Süd und dann fast eine Woche Ostwind in der Westwindzone, das muss man doch ausnutzen, auch wenn es sehr früh in der Saison und die Zyklonsaison offiziell noch nicht beendet ist. Wäre da nicht die Bürokratie. Bei der telefonischen Nachfrage, ob man auch in Whangarei ausklarieren kann, wurde uns mitgeteilt, dass wir doch bitte spätestens zwei Tage vorher die nötigen Formulare online einreichen sollen. Um dann einen Tag vorher telefonisch einen Termin mit den Zollbehörden zu vereinbaren. Nun ja, Neuseeland ist für seine Bürokratie verrufen und so werden wir wohl auf das nächste Wetterfenster warten müssen, weil wir in fünf Tagen nicht in Neu Kaledonien sind.
Noch sind wir flexibel. Wir sagen den Termin beim Zoll in Marsden Point wieder ab, um die süd-westlichen Winde trotzdem zu nutzen und die schöne Küste zwischen Whangarei und der Bay of Islands hoch zu segeln. Rückblickend stellen wir für uns fest, zusammen mit dem Nordland ist das der schönste Teil Neuseelands. Jetzt wo der Herbst eingekehrt, die Tage kürzer und kälter geworden sind, drängen sich die Boote auch nicht mehr in den Ankerbuchten. Und wir angeln dieses Mal sogar zwei Thunfische, den ersten ausgerechnet am Cape Brett, da wo es zwischen dem Kap und einem monströsen vorgelagerten Felsen durchgeht und die Winde unberechenbar aus allen Richtungen kommen. Aber das bislang eher entspannte Sonntagnachmittagsegeln verwandelt sich hinter dem prominenten Kap dann eh in ein hartes am Wind vorkämpfen gegen wechselhafte böige Winde in die Bay of Islands hinein. Die lokalen Segler kennen ihr Revier offensichtlich besser und bewegen sich daher motorsegelnd ganz dicht im Windschatten der Küste voran. Überhaupt sind die Neuseeländer diesbezüglich ziemlich pragmatisch. Oft haben wir uns gewundert, warum die Kiwis bei leichten Winden so schnell aufholten, bis sie dann näher kamen und wir deutlich die Motorgeräusche wahrnehmen konnten.
Jedenfalls werden wir die vielen kleinen satt grünen Inselchen mit wunderbar geschützt liegenden Buchten und gutem Ankergrund vermissen. Manchmal sind die ein bisschen matschig, aber das eine kommt ja oft zusammen mit dem anderen (guter Ankergrund mit matschigem Boden meine ich) und wenn dann noch eine Tide von mehr als einem Meter hinzu kommt, versinkt man mitunter ganz schön tief, wenn man an Land watet. Der Gesang der neuseeländischen Vögel ist hier einzigartig, sofern die Insel „pestfrei“ ist. Pestfrei bedeutet, auf der Insel wurden Ratten, Hunde, Katzen, Mäuse, Opossums und ähnliche Nesträuber mittels Giftködern getötet, die aus Hubschraubern abgeworfen werden.
Dem Regen werden wir keine Träne nachweinen. Michael von der SY Henrietta sagte dazu, not more pussy cat-and-dogs rain, it’s more jungle-cat-and-elephants-rain 😉 . Ebenso nicht die mitunter stürmischen Winden. Ich erinnere an die 115 Knoten in Böen über Auckland, die Teile der Stadt vier Tage ohne Strom zurück liessen.
Auch werden wir die, mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln, hervorragend sortierten Supermärkte vermissen. Nur das Angebot an Lammfleisch hat mich schwer enttäuscht. Häufig wurde es gar nicht erst angeboten oder es war deutlich teurer als Rindfleisch. Angeblich wird das meiste Fleisch an China verkauft, genauso wie der Wald, der an manchen Orten in grossem Stil abgeholzt wird. Anstelle grosser Schafherden sieht man heute vorwiegend Rinder und Rotwild auf den saftig gründen Weiden grasen. Ist wohl ökonomisch lukrativer.
Der Abschied fällt uns, im Vergleich zu Südamerika oder Polynesien, nicht schwer. Die ausufernde Bürokratie trägt ihren Teil dazu bei. Vorschriften und Prozedere bei Immigration und Biosecurity suchen selbst in Deutschland ihresgleichen. Und weil es so schön war, wurden die Biosecurity Vorschriften in 2018 gleich noch mal verschärft. Zukünftig werden, so ist zu befürchten, wohl alle Boote, die aus den Tropen kommen, gleich aus dem Wasser genommen, um auf Kosten des Eigners das Unterwasserschiff zu erneuern. Das passt zu unserem unterschwelligen Gefühl, von geschäftstüchtigen Kiwis ausgenommen zu werden. Beispielsweise wurde uns mit viel Trara ein Spezialkleber für den doppelten Preis verkauft, dessen Verfallsdatum bereits abgelaufen und der damit quasi wertlos war. Oder, um einen Blick auf eine Pinguinkolonie zu werfen, wird pro Kopf 40 $ verlangt. Nicht zu vergessen, die meisten Hotels, die wir besuchten, egal in welcher Preisklasse, werden lieblos von profitorientiertem Personal gemanagt.
Alteingesessene Neuseeländer sind entspannte Zeitgenossen, die mit wenigen Ausnahmen erst einmal recht „zugeknöpft“ daherkommen. So zeigten die Segler, die mit uns in den Buchten lagen, wenig Interesse daran, Kontakt aufzunehmen. Ausnahmen wie Craig und Mary oder die beiden netten Segler, die uns auf Waiheke und GBI einen Teil vom frisch gefangenen Fisch abgaben, bestätigen die Regel. Aber es gibt hier die leckerste Lakritze seit wir die Ostsee verlassen haben, sagt Thomas.