Taravai ist die zweitgrösste Insel der Gambier-Inselgruppe. Wie auf fast allen Inseln des Atolls, befindet sich auch hier eine erstaunlich grosse Steinkirche nebst Pfarrhaus daneben, die noch aus der Zeit der katholischen Missionierung durch einen französischen Orden zu Beginn des 19. Jhd. stammt. Diese Kirche ist gleichzeitig Zeuge der Zeit, in der die Insel noch dicht besiedelt war. Bis zu 2000 Menschen sollen es gewesen sein. Das kann man sich heute zwar kaum noch vorstellen, ist die Insel doch überall dicht bewaldet und nur in der Mini-Ortschaft Agakono findet man noch bewohnte Häuser. Zur Zeit wohnen 6 Menschen mehr oder weniger permanent dort. Wenn man es genau nimmt und das französische Seglerpaar nicht mitzählt, das viele Monate des Jahres in Frankreich verbringt, sind es nur 4 Menschen. Hervé, Valerie, ihr Sohn Ariki und ihr Nachbar, der sich selten blicken lässt.
Die erste Welle der Entvölkerung setzte wohl mit der Missionsarbeit der Franzosen ein. Krankheiten und Zwangsarbeit setzten den Bewohnern böse zu. Kloster und Kirchen mussten schliesslich mühevoll ohne die Hilfe moderner Maschinen errichtet werden. Damit nicht genug, als die Franzosen dann nach dem 2. Weltkrieg mit ihren Nuklearversuchen in dem nahegelegenen Mururoa Atoll begannen, fiel der radioaktiver Niederschlag auch auf die Gambiers herab. Valerie meint, dass in der Folge viele Menschen es vorzogen in Tahiti ihr Glück zu versuchen.
Dieser leidvollen Geschichte verdanken Hervé und Valerie ihr kleines Paradies, das sie sich auf der Insel geschaffen haben. Hervé kümmert sich um die „öffentlichen Wege“, das ist der mit Rasen bewachsene Weg von der ehemaligen Anlegestelle zur Kirche und dann weiter zu seinem Haus, sowie um seinen schönen Garten, der genügend Früchte und Gemüse für die kleine Familie bereit hält. Manchmal fängt er ein Huhn oder zwei oder auch ein ausgewildertes Schwein. Hühner und Schweine laufen hier frei herum und sind Gemeinschaftseigentum. Oder er taucht nach der einzigen Fischart, die nicht mit Ciguatera befallen ist, eine Art Plattfisch mit ledriger Haut und giftigem Stachel. Schwein, Huhn und Fisch, hat er auch für uns schon gefangen. Die Hühner wurden an Pfingsten gefangen und direkt in einer gemeinsamen Aktion, Hervé hat sie gefangen und geköpft, ich habe sie mit Valerie gerupft, Thomas hat sie ausgenommen und zusammen mit Hermann von der Lyra gegrillt, zu einem leckeren Festmahl verarbeitet. Zum Nachtisch gab es einen saftigen Bananenkuchen, selbstredend mit Bananen aus Hervés Garten. Zusammen mit chilenischem Wein und dem obligatorischen Boule-Spiel danach, ein perfekter „französischer Nachmittag“.
Wir haben nun eine Reihe von Inseln besucht, Robinson Crusoe, Osterinsel, die Gambierinseln. Pitcairn, die Insel auf die sich die Meuterer der Bounty flüchteten, liessen wir aus. Die Südseeinseln werden häufig in der ein oder anderen Form mit dem Attribut Paradies versehen. Ich hatte den Eindruck, genauso wie es Tony Horwitz in seinem Buch „Cook, die Entdeckung eines Entdeckers“ beschreibt, dass sich die paradiesische Verheissung für viele, die sich hierher aus genau diesem Grunde flüchteten, nicht erfüllt hat. Das Gefühl des vollkommenen Glücks scheint recht kurzlebig zu sein. Unabhängig von den Rahmenbedingungen – keine Existenzsorgen, ausreichend Trinkwasser und Nahrungsmittel und ein freundliches Klima – ist die Zufriedenheit vergänglich. Hervé und Valerie scheinen eine Ausnahme zu sein. Für sie spielt Zeit keine Rolle mehr und wahrscheinlich sind sie genau deswegen nachhaltig zufrieden. Wir nähern uns diesem Zustand und werden auch schon fleissig von den „locals“ mit Früchten und Gemüse versorgt. Immerhin sind wir schon seit fast vier Wochen hier. Nur den Bäcker konnten wir noch nicht überzeugen uns automatisch zwei Baguettes, die ab fünf verkauft und um sechs schon ausverkauft sind, zu reservieren. Paradies! Wäre da nicht der Reparaturstau, der aber durch die tatkräftige Hilfe von allen zügig abgearbeitet wird.