Nicht ganz. Ein Rennen soll es nicht werden, aber alles ist unter Dach und Fach. Wir sind bereit für den Trip in wärmere Gefielde, hier bedeutet das nach Norden zu segeln. Leonard wurde sein Gips entfernt. Etwas martialisch, ohne Betäubung wurden die Drähte aus dem Knochen gezogen. Der Arm ist jetzt etwas dünner und auch noch nicht so richtig einsatzfähig. Mindestens zwei weitere Monate Schonzeit hat der Arzt verordnet. Die Einkäufe sind weitestgehend erledigt. Alle Malariamedikamente, -tests und Moskitonetze beschafft und geprüft und es tut sich sogar ein perfektes Wetterfenster auf. Erst etwas Süd und dann fast eine Woche Ostwind in der Westwindzone, das muss man doch ausnutzen, auch wenn es sehr früh in der Saison und die Zyklonsaison offiziell noch nicht beendet ist. Wäre da nicht die Bürokratie. Bei der telefonischen Nachfrage, ob man auch in Whangarei ausklarieren kann, wurde uns mitgeteilt, dass wir doch bitte spätestens zwei Tage vorher die nötigen Formulare online einreichen sollen. Um dann einen Tag vorher telefonisch einen Termin mit den Zollbehörden zu vereinbaren. Nun ja, Neuseeland ist für seine Bürokratie verrufen und so werden wir wohl auf das nächste Wetterfenster warten müssen, weil wir in fünf Tagen nicht in Neu Kaledonien sind.
Schönes Segelwetter
um an der Ostküste
nach Nord zu segeln
Kalibu vor Anker mit Blick auf Cape Brett am Horizont
Noch sind wir flexibel. Wir sagen den Termin beim Zoll in Marsden Point wieder ab, um die süd-westlichen Winde trotzdem zu nutzen und die schöne Küste zwischen Whangarei und der Bay of Islands hoch zu segeln. Rückblickend stellen wir für uns fest, zusammen mit dem Nordland ist das der schönste Teil Neuseelands. Jetzt wo der Herbst eingekehrt, die Tage kürzer und kälter geworden sind, drängen sich die Boote auch nicht mehr in den Ankerbuchten. Und wir angeln dieses Mal sogar zwei Thunfische, den ersten ausgerechnet am Cape Brett, da wo es zwischen dem Kap und einem monströsen vorgelagerten Felsen durchgeht und die Winde unberechenbar aus allen Richtungen kommen. Aber das bislang eher entspannte Sonntagnachmittagsegeln verwandelt sich hinter dem prominenten Kap dann eh in ein hartes am Wind vorkämpfen gegen wechselhafte böige Winde in die Bay of Islands hinein. Die lokalen Segler kennen ihr Revier offensichtlich besser und bewegen sich daher motorsegelnd ganz dicht im Windschatten der Küste voran. Überhaupt sind die Neuseeländer diesbezüglich ziemlich pragmatisch. Oft haben wir uns gewundert, warum die Kiwis bei leichten Winden so schnell aufholten, bis sie dann näher kamen und wir deutlich die Motorgeräusche wahrnehmen konnten.
Jedenfalls werden wir die vielen kleinen satt grünen Inselchen mit wunderbar geschützt liegenden Buchten und gutem Ankergrund vermissen. Manchmal sind die ein bisschen matschig, aber das eine kommt ja oft zusammen mit dem anderen (guter Ankergrund mit matschigem Boden meine ich) und wenn dann noch eine Tide von mehr als einem Meter hinzu kommt, versinkt man mitunter ganz schön tief, wenn man an Land watet. Der Gesang der neuseeländischen Vögel ist hier einzigartig, sofern die Insel „pestfrei“ ist. Pestfrei bedeutet, auf der Insel wurden Ratten, Hunde, Katzen, Mäuse, Opossums und ähnliche Nesträuber mittels Giftködern getötet, die aus Hubschraubern abgeworfen werden.
Dem Regen werden wir keine Träne nachweinen. Michael von der SY Henrietta sagte dazu, not more pussy cat-and-dogs rain, it’s more jungle-cat-and-elephants-rain 😉 . Ebenso nicht die mitunter stürmischen Winden. Ich erinnere an die 115 Knoten in Böen über Auckland, die Teile der Stadt vier Tage ohne Strom zurück liessen.
Auch werden wir die, mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln, hervorragend sortierten Supermärkte vermissen. Nur das Angebot an Lammfleisch hat mich schwer enttäuscht. Häufig wurde es gar nicht erst angeboten oder es war deutlich teurer als Rindfleisch. Angeblich wird das meiste Fleisch an China verkauft, genauso wie der Wald, der an manchen Orten in grossem Stil abgeholzt wird. Anstelle grosser Schafherden sieht man heute vorwiegend Rinder und Rotwild auf den saftig gründen Weiden grasen. Ist wohl ökonomisch lukrativer.
Der Abschied fällt uns, im Vergleich zu Südamerika oder Polynesien, nicht schwer. Die ausufernde Bürokratie trägt ihren Teil dazu bei. Vorschriften und Prozedere bei Immigration und Biosecurity suchen selbst in Deutschland ihresgleichen. Und weil es so schön war, wurden die Biosecurity Vorschriften in 2018 gleich noch mal verschärft. Zukünftig werden, so ist zu befürchten, wohl alle Boote, die aus den Tropen kommen, gleich aus dem Wasser genommen, um auf Kosten des Eigners das Unterwasserschiff zu erneuern. Das passt zu unserem unterschwelligen Gefühl, von geschäftstüchtigen Kiwis ausgenommen zu werden. Beispielsweise wurde uns mit viel Trara ein Spezialkleber für den doppelten Preis verkauft, dessen Verfallsdatum bereits abgelaufen und der damit quasi wertlos war. Oder, um einen Blick auf eine Pinguinkolonie zu werfen, wird pro Kopf 40 $ verlangt. Nicht zu vergessen, die meisten Hotels, die wir besuchten, egal in welcher Preisklasse, werden lieblos von profitorientiertem Personal gemanagt.
Alteingesessene Neuseeländer sind entspannte Zeitgenossen, die mit wenigen Ausnahmen erst einmal recht „zugeknöpft“ daherkommen. So zeigten die Segler, die mit uns in den Buchten lagen, wenig Interesse daran, Kontakt aufzunehmen. Ausnahmen wie Craig und Mary oder die beiden netten Segler, die uns auf Waiheke und GBI einen Teil vom frisch gefangenen Fisch abgaben, bestätigen die Regel. Aber es gibt hier die leckerste Lakritze seit wir die Ostsee verlassen haben, sagt Thomas.
Erst einmal ist da die Versicherung, die das Schiff in den Tropen während der Zyklon-Saison nicht gegen Schäden, die durch eben diese verursacht werden, versichert. Dann natürlich die vergleichsweise hervorragenden Möglichkeiten sein Schiff in Stand zu setzen, was bei den meisten Schiffen nach den vielen tausend Meilen durch Atlantik und Pazifik dringend nötig ist. Und natürlich nicht zu vergessen, Aukland gehört zu den Top Ten der lebenswerten Städte weltweit, nicht zuletzt begründet durch die wunderschöne Lage am Wasser und die Nähe zu traumhaft schönen Inseln, wie z.B. die Inselgruppe um Great Barrier Island, wo wir dieses Jahr Ostern verbrachten.
Port Fitzroy – GBI
Port Fitzroy – GBI
Baustelle Kalibu
Vorher – milchige trübe Aussichten
Baustelle Kalibu
Baustelle Kalibu
Nachher – Kalibu mit neuen Fenstern
Zu Eins: auch unsere Versicherung hat den Ausschluss Tropen zur Hurrikan-Saison im Kleingedruckten und hat uns prompt den Beitrag deutlich reduziert, nachdem wir bekannt gaben, dass wir Neuseeland erreicht hatten. Das ist durchaus bemerkenswert, da wir doch seit wir hier sind drei Ex-Zyklone erlebten, die mit immer noch kräftiger Sturmstärke über Neuseeland fegten. Damit nicht genug. Kaum waren die durch, bildete sich ein tiefes Tief in der Tasmansee das mit ausgeprägter Orkanstärke über Aukland zog. Nur wenige Meilen entfernt hielten wir uns zu der Zeit auf Great Barrier Island im Port Fitzroy auf und verkrochen uns rechtzeitig in einem langen Creek mit gutem Ankergrund, umgeben von 200 Meter hohen Bergen. Patagonien Revival bei 12 Grad und viel Regen. Trotzdem hatte ich zwei mehr oder weniger schlaflose Nächte. Der neue Anker hält super, aber die Entlastung der Ankerkette knirscht bei so viel Wind bedenklich über die Rolle. Im Kopf laufen alle Horrorgeschichten der letzten drei Jahre ab, die von gebrochenen Ankerketten handeln. Da ist es schwer an Schlaf zu denken. Unser „lahmer“ Windmesser zeigt aber nur Böen von bis zu 35 Knoten. Kann also nicht so schlimm gewesen sein, denken wir, bis uns die ersten Nachrichten aus Aukland erreichen. Orkan in Böen bis 115 Knoten (nicht Kilometer, nein Knoten), 40 % der Stadt ohne Strom. Zum Glück waren wir nicht dort, sondern in unserem kleinen Creek vor Anker. Denn selbst die vermeintlich geschützt liegende Marina wurde mit 80 Knoten arg gebeutelt. Fenster wurden eingedrückt. Schiffe, die an Monorings lagen, strandeten auf Felsen. Nicht schön.
Zu Zwei: auch wir verbringen die meiste Zeit mit „Basteln“ am Schiff. Neben vielen anderen Reparaturen konnten wir uns dazu durchringen die Fenster, die von der intensiven Sonne der Tropen sehr spröde geworden sind und kaum noch Durchsicht gewährten, auszuwechseln. Eine grössere Baustelle, der sich alle unterordnen müssen! Aber was für ein Unterschied. Die Bilder zeigen es sicherlich deutlich.
Dann die Drei: eins muss man den Neuseeländern lassen, sie wissen wie sie ihr Land und ihre Produkte verkaufen können. Was hier in den Reiseführern als Attraktion, egal ob landschaftlich, geschichtlich, kulturell oder was auch immer … angepriesen wird, ist bestenfalls interessant, für uns aber meist nur prätentiös. Ärmliche Goldgräberhütten und utilitäre Bahngebäude werden als bedeutende Zeugnisse der neuseeländischen Geschichte vermarktet; von tausenden von Sandfliegen heimgesuchte, regenreiche Fjorde als weltweit einzigartige Naturdenkmäler gepriesen, die Liste ist lang. Unser Fazit, das Land bietet vor allem uralte Bäume (5.000 Jahre!!) und viele schöne Landschaften, die erstaunlich einfach zugänglich sind. Die einfach Zugänglichkeit ist dabei das Erfolgsrezept für den neuseeländischen Tourismus. Wer schafft es schon die chilenischen Kanäle für sich zu entdecken und im gleichen Urlaub noch die Vulkane zu besteigen und die Pampa zu durchwandern. Da muss man schon auf der Suche nach Kapitän Grant sein (Jules Verne) oder mit dem Segelboot die Südspitze von Amerika umrunden.
Ostern in Neuseeland! Das ist die beste Gelgenheit mit dem Boot aus der Stadt raus zu fahren, vor allem wenn so schönes Spätsommerwetter lockt. Wen wunderts, die Buchten sind abends entsprechend voll. Wir sind trotzdem jedes Mal erneut erstaunt über die Menge von Booten, die uns vermeintlich folgen 😉 Jedenfalls würde sich der gute Fitzroy, Kapitän der Beagle, schon wundern, wenn er in die heutige Zeit versetzt würde und den nach ihm benannten natürlichen Hafen auf Great Barrier Island erneut erleben könnte.
Great Barrier Island / Port Fitzroy
Great Barrier Island / Port Fitzroy
Great Barrier Island
Great Barrier Island
Überfüllte Bucht in Port Fitzroy
Great Barrier Island
Great Barrier Island
Kalibu in Kiwiriki Bay
Wir geniessen die Sonne und freuen uns über unser neues Vorsegel, das die Performance von Kalibu deutlich steigert. Auch bei schwachem Wind erreichen wir jetzt unsere Rumpfgeschwindigkeit von rund 8 Knoten spielend :-))
Schon am Flughafen in Christchurch fühlte Mama sich krank. Deswegen ging es direkt, nachdem wir ein Mietauto hatten, zu einem Arzt. Doch das mit dem Mietauto gestaltete sich komplizierter als gedacht. In der Autovermietung – zur der wir in einem überfüllten Kleinbus gelangten – stellte sich heraus, dass sie Papas europäischen Führerschein nicht akzeptierten. Also mussten wir über eine Stunde warten, bis der Führerschein übersetzt worden war. Mama hatte Schmerzen, Leo und ich Langeweile, die sich in der 24-hour surgery fortsetzte, wo wir natürlich wieder warten mussten. Als Mama ihre Medizin hatte und klar gestellt war, dass sie eine Blasenentzündung hatte, ging es ins Motel. Wo dann direkt mein persönliches Drama andockte. Das Internet. Auf Nachfrage bekamen wir ein paar Zettel, mit denen wir uns einloggen konnten. Kein Problem, oder? Doch. Ich schaffte es, zwei 3-5 min Christchurch Erdbeben YouTube Videos zu schauen, dann wurde ich herausgeschmissen. Die Zettel hatten begrenztes Datenvolumen. War dieses Datenvolumen alle, musste man sich neues kaufen. Da war ja sogar noch Französisch Polynesien besser: 100 für 100 Stunden Internet. Am nächsten Tag ging es auf meinen Wunsch hin nach Quake City, das Erdbeben Museum von Christchurch. Aber davor besichtigten wir noch die alte Kathedrale, sowie die neue Cardboard Cathedral. Diese besteht aus Pappe, Holz und Stahl. Ich muss zugeben, dass wir Kinder etwas enttäuscht waren, erwarteten wir doch eine Kathedrale aus Pappe. Entworfen wurde sie von einem japanischen Architekten, Shigeru Ban. Die alte wurde bei dem Erdbeben am 22 Februar 2011 ramponiert. Klarer: verlor ihren kompletten Turm, und in einem Nachbeben auch ihre Bunt-Glas-Fenster. Nach dem Erdbeben gab es erst mal fast nichts mehr für die Menschen, kein Wasser, kein Strom, keine Toiletten. Die Leute wurden kreativ und bastelten sich im Garten eigene Plumpsklos und zum Duschen fuhren sie in Stadtteile, die noch Wasser hatten.
Die alte Kathedrale von der Seite…
und von vorne
Hier die Cardboard Cathedral
Natürlich darf das Pappkreuz nicht fehlen
Nachdem wir durch Quake City durch waren, ging es direkt weiter, zu einem kleinen Haus in Fairlie. Auch hier hatten wir mit dem Internet so unsere Probleme. Mal ging es, mal war es gar nicht vorhanden. Dafür hatte der Kühlschrank eine Eismaschine, die von Leo eifrig genutzt wurde, der jedem eisgekühlte Getränke anbot. Auch hier blieben wir nur eine Nacht. Die nächste verbrachten wir Cardrona, im Cardrona Hotel, wo sogar schon Prince Harry zu Gast gewesen sein soll. Bevor wir dort allerdings ankamen, wurde eine Wanderung zu einem Gletschersee unternommen. Einziger Haken, es gab keine Gletscher! Weit und breit konnte ich keinen entdecken. Das Wasser war aber eindeutig milchiges Gletscherwasser. Sooft ich auch nachfragte, irgendwie verstand ich nicht wie das Wasser in den See gelangte. Alle erzählten irgendwas von Eiszeit und Steinzeit und Neuzeit. Schlau wurde ich da, wie gesagt, nicht draus. Interessanter war da schon die Sternwarte, die sich ebenfalls auf dem Hügel befand. In der Gegend soll es nämlich den schönsten Sternenhimmel ganz Neuseelands geben. MaPa, die ihn sich letzte Nacht angesehen hatten, meinten, dass der Himmel nichts besonderes wäre im Vergleich zu dem, den wir auf See in einer sternklaren Nacht erblickten. Dann kommt natürlich die Frage, warum man Sternwarten eigentlich nicht auf ein Schiff verlegen kann? Ich meine, es gibt ja auch riesige Kreuzfahrtschiffe, oder? Also ich finde, da könnte man ruhig mal der Wissenschaft zur Seite stehen. Am nächsten Morgen wurde ich auf unhöflichste Art früh geweckt. Ein gewisser Leo telefonierte direkt neben meinem Bett mit seinem besten Freund. Als ich ihn beim Frühstück zur Rede stellte, warum er Bitteschön morgens von Jan angerufen wurde, leugnete er alles und tat so, als hätte ich es mir im Halbschlaf eingebildet. Also wirklich! Erst von Mama erfuhr ich, dass dieses Telefonat nicht meiner frühmorgendlichen Fantasie entsprungen war und auch Leo gab zu, mit Jan telefoniert zu haben. Bloß habe er ihn angerufen und nicht umgekehrt, wie ich vermutet hatte. So eine Haarspalterei. Der Gerechtigkeit wegen muss hinzu gefügt werden, dass mein Bruder nicht der einzige war, der morgens früh telefonieren musste. Bei uns in Berlin hatte es irgendeinen Vorfall mit der Heizung und dem heißen Wasser gegeben und Papa musste das regeln. Dementsprechend müde war ich dann auch, als wir das erste Mal einen Blick auf Queenstown warfen. Allerdings wurde ich schnell wieder wach, als wir Central Otago erreichten, was ich sofort als Location in der Hobbit wieder erkannte. Doch trotz allen Versuchen mich an der Herr der Ringe zu erinnern, gelang es mir nicht, diese Ebene mit den Filmen in Verbindung zu bringen.
Einmal Leo…
und einmal Queenstown
Für mich nur der Hobbit
Der Blick vom Backpacker Hostel
Die Nacht verbrachten wir in einem Bed and Breakfast, was von mir glatt fünf Sterne erhält, obwohl wir uns ein Bad mit einem fremden Pärchen teilen mussten. Der Grund? Leo und ich hatten unser eigenes Zimmer – keine störenden Telefonate in aller Frühe! – und das Internet funktionierte hervorragend ohne dass man extra hätte dafür bezahlen müssen. Ich erinnerte mich mit Sehnsucht an dieses Haus, da wir die nächsten zwei Nächte in einem Backpaker Hostel verbrachten, wo wir alle zu viert in einem kleinen Raum schliefen und das Internet mehr als launisch war. Wobei ich zugeben muss, dass die Lage und die Herberge als ganzes betrachtet wirklich schön waren. Und die Wanderung am nächsten Tag auch. An Fluss und See entlang. Ja, wirklich schön. Erholung von der Herberge gab es dann in einem Motel am See, wo Leo und ich zwar kein eigenes Zimmer, aber einen abgetrennten Bereich zur Verfügung hatten. Und das Internet funktionierte auch wieder. Zumindest einigermaßen. Doch die Liebe und die Atmosphäre, die die Herberge auch ohne Internet ansprechend gemacht hatten, fehlten. An dem Tag besuchten wir außerdem noch den berühmt berüchtigten Milford Sound. Obwohl es in einer Tour regnete, war der Weg dorthin beeindruckend. Sehr grün und überall gab es Wasserfälle. Auch erwähnenswert ist der one way Tunnel, der aus nicht behauenem Felsstein bestand. Wirklich eindrucksvoll. Der Milford Sound war dann aber eher unspektakulär. Ob das nun daran lag, dass alles in Nebel und Wolken lag und wir nass wurden oder daran, dass wir eine solche Landschaft schon aus den chilenischen Kanälen kannten, vermag ich nicht zu sagen.
der one way Tunnel mit Wasserfällen
Mama schützt sich vor dem Regen am Milford Sound
Vielleicht lag es auch an den vielen Touristen. Apropos, wusstet ihr, dass es in Neuseeland übermäßig viele deutsche Touris gibt? An jeder Ecke hört man Deutsch. Das Railway Hotel, wo wir die nächste Nacht verbrachten, war dann auch super. MaPa hatten ein Bad, Leo und ich mussten das Bad auf dem Flur nutzen, wenn wir sie nicht stören wollten. Von Frühstück war nicht die Rede, wir aßen unseren eigenen Kram. Zu der Zeit wünschte ich mir sehr stark ein ganz normales, leckeres Frühstücksbuffet zu haben. Aber in diesem Hotel Fehlanzeige. Dafür gab es Internet. Ist alles eine Sache der Einstellung. Erwartet man viel, wird man enttäuscht. Erwartet man nichts, freut man sich über alles was man bekommt. Was sich auch in der nächsten Herberge wieder zeigte. Wieder schliefen wir zu viert in einem Raum, wobei diesmal Leo und ich jeweils ein eigenes Stockbett hatten. Die Gemeinschaftsküche war, Papas Meinung, relativ lieblos, die Toiletten und Duschen befanden sich auf dem Flur. Auch hier verbrachten wir zwei Nächte. Papa, und mit ihm auch Mama und Leo, hatten sich in den Kopf gesetzt eine Wanderung mit Übernachtung zu machen und während Mama und ich den ersten Tag recht faul verbrachten – sie lag im Bett und ruhte sich aus, ihre Blasenentzündung hatte sich wieder gemeldet und ich duschte – versuchten die Jungs Decken für die Wanderung zu besorgen, da es sowas in den Hütten wohl nicht gibt. Es war aber auch der perfekte Tag für eine Ruhepause, denn es regnete schon wieder. Was sich als ziemlich unpraktisch herausstellte Es fing damit an, dass der Track wegen zu viel Wasser gesperrt war. Aber nein, aufgeben kommt nicht in Frage! Und außerdem sollte er um 11 an diesem Tag wieder geöffnet werden. Also warteten wir und ließen uns von den Sandfliegen zerstechen. Echt jetzt, die sind fast noch schlimmer als Mücken! Endlich kommt der Ranger und öffnet den Track. Mit dem Tipp, die Schuhe für die erste Flussüberquerung auszuziehen. Gesagt, getan. Der Weg ist an manchen Stellen schmal und manchmal steht er total unter Wasser. Alles in allem, Abenteuer! Allerdings ist es auch glitschig. Kein Wunder also, wenn Leo, der überschwängliche Wanderer, ausrutscht. Ich lief vor ihm und bekam daher hautnah mit, wie er auf einem Baumstamm ausglitt, einen Purzelbaum in der Luft machte, auf dem Arm landete und anfing zu schreien. Auf der Stelle war ich da und auch Papa half ihm auf. Leo schrie. Er wusste sofort, dass er sich den Arm gebrochen hatte, obwohl er unter Schock stand und weiß war wie das Bettlacken im vorletzten Hotel. Wir drehten also um und liefen zurück, ich stützte Leo, der gleich zwei Schokoriegel und Schmerztabletten bekommen hatte. Es kam mir ewig vor, bis wir endlich wieder in Fox Glacier waren, wo unsere Herberge und die nächste Krankenstation war. Dort mussten wir erst mal warten. Die Krankenschwester tauschte Mamas Schal, der als Schlinge hergehalten hatte, gegen eine professionelle Schlinge aus, empfahl uns gefrorene Erbsen zur Kühlung zu besorgen und schickte uns ins einzige Krankenhaus an der Westküste. In Greymouth. Dort ging es also als nächstes hin. Wir waren ruhiger und Leo hatte keine Schmerzen mehr, weil er noch mal stärkere Schmerztabletten bekommen hatte. Die ersten von vielen, die noch kommen würden. In Greymouth mussten wir wieder warten. Ganze vier Stunden. Irgendwann sind Papa und ich zu dem Backpacker gefahren, wo wir die Nacht verbringen würden, um einzuchecken. Als wir zurück kamen, war Leos Arm eingegipst und wir wurden weiter nach Christchurch geschickt, denn er musste operiert werden. MaPa entschieden, erst morgen früh nach Christchurch zu fahren, was dafür sorgte, dass wir am nächsten Tag um vier Uhr morgens aufstehen, frühstücken und losfahren mussten. Kein Wunder also, dass ich den ganzen Tag total in den Seilen hing. Im Krankenhaus in Christchurch haben wir wieder gewartet bevor Leo operiert wurde. Er bekam eine Vollnarkose und als er endlich wieder erwacht war, wir also zu ihm durften, lag er in einem dieser Krankenhausbetten, die man hoch und runter fahren kann und sah so aus, als wäre er am liebsten sofort wieder eingeschlafen. Er wurde in ein Einzelzimmer gebracht und – Tatsache – war schon auf dem Weg dorthin wieder eingeschlafen. Ich blieb den Nachmittag über da, während Mama ihm des Nachts Gesellschaft leistete. Papa und ich indessen schliefen in einem Appartementhaus. Leo und ich hatten dort ein eigenes Zimmer, auch wenn ich es die erste Nacht für mich hatte, da er ja im Krankenhaus übernachtete. Es war ganz dunkel und ich wurde nicht müde, mich darüber zu wundern, warum der Architekt nicht einfach noch ein Fenster dazu entworfen hatte. Am nächsten Tag beschloss Papa, dass Leo jetzt lang genug im Bett gelegen habe und da auch nur noch ein paar Papiere fehlten, wurde entschieden, dass wir später noch einmal wiederkommen und diese holen könnten. Während Mama im Appartement blieb, besuchte Papa mit uns das Kunstmuseum und wir gingen Eis essen. Nachher holten wir noch die Papiere und schon waren wir frei. Von mir wurde Leo von da an nur noch Dornröschen genannt, weil er so viel schlief.
Der Rückflug gestaltete sich als ziemlich einfach. Vor allem für Leo, der nichts tragen musste. Nachdem die Stewardess geprüft hatte, dass Leos Gips nur halb war, also nur die äußere Hälfte seines Armes bedeckte, durften wir als erstes ins Flugzeug. Dort bekam Leo noch zwei extra Kissen, um seinen Arm hochzulegen. Es war ein angenehmer Flug.